Was für ein Klima! Erinnern wir uns, wie Emmanuel Macron in den ersten Monaten seiner Amtszeit nicht müde wurde, sich auf internationaler Ebene mit Ernst und Verve in der Stimme als Präsident zu präsentieren und selbst einem Donald Trump die Stirn zu bieten, unter dem Motto „Make our planet great again“.
Seine leidenschaftlichen, lyrischen Darbietungen zum Klimawandel bringen ihm gar bei der UN den Titel „Champion of the Earth“ ein. Erinnern wir uns auch daran, dass Macron in der Covid-Krise die Gelegenheit erkannt haben wollte, die Welt zu überdenken und damit "die Art der Globalisierung, wie sie derzeit stattfindet“ zu verändern. Schließlich würde niemand zögern, tiefgreifende und radikale Entscheidungen zu treffen, wenn es dabei um Leben oder Tod gehe und genau das gleiche gelte ja auch für die Risiken des Klimawandels. Aber wie genau will und wird er das wirklich in konkrete Politik umsetzen?
Denn Reden sind eine Sache, aber es ist auch notwendig, Politiker mit der Realität ihres Handelns zu konfrontieren und mit der Kluft zwischen ihren Worten und Taten. Im April 2019 hatte der französische Präsident angekündigt, er wolle eine Initiative für mehr Bürgerbeteiligung ins Leben rufen und griff damit eine Forderung der Gelbwestenbewegung auf. Im Oktober 2019 schuf Premierminister Édouard Philippe diesen neuen Bürgerkonvent, für den 150 Bürgerinnen und Bürger per Losverfahren ausgewählt wurden. Ziel dieses Bürgerrates ist es, "Strukturmaßnahmen vorzuschlagen, um im Geiste der sozialen Gerechtigkeit eine Verringerung der Treibhausgasemissionen um mindestens 40% bis 2030 in Bezug auf den Wert von 1990 zu erreichen ". Doch wie sieht es dann mit der tatsächlichen Umsetzung in Regierungspolitik aus?
Am Jahresende kritisiert der Regisseur und Klimaaktivist und einer der Initiatoren und Garanten des Bürgerkonvents, Cyril Dion, in einem offenen Brief an den Präsidenten, das Prinzip der partizipativen Demokratie beim Bürgerkonvent sei nur vorgegaukelt. „Die Maßnahmen, von denen man uns versprochen hat, sie werden ungefiltert dem Parlament vorgelegt, sind von der Regierung abgewandelt und verwässert worden. Andere Maßnahmen wurden gänzlich fallengelassen“, so Dion. Erneut sei die politische Umsetzung weit von den Ankündigungen entfernt.
Indes hat Macron von allen Maßnahmen die medienwirksamste aufgegriffen und rühmt sich, er wolle für eine ökologische Revolution sorgen, indem er mit einem großen Referendum darüber abstimmen lassen will, ob der Schutz der Artenvielfalt und der Kampf gegen den Klimawandel in den Artikel 1. der Verfassung aufgenommen wird. Das heißt konkret? Viel Symbolik – und sonst nicht viel. Bereits jetzt gibt es eine Umweltcharta in der Verfassung, die 2005 festgeschrieben wurde und die Grundrechte und Pflichten benennt, die mit dem Umweltschutz einhergehen.
Katastrophale Klimabilanz
In Wahrheit hat der Präsident sein Versprechen noch nicht umgesetzt, die Verwendung von Glyphosat zu beenden. In Wahrheit respektieren die Franzosen nicht mal selbst das Pariser Klimaabkommen, stattdessen steigt der jährlich erlaubte Ausstoß an CO2. In Wahrheit hat seit dem Rücktritt des grünen Umweltministers Nicolas Hulot 2019 keiner seiner Amtsnachfolger die von ihm so stark kritisierte Lobbymacht brechen können, die bislang jegliche ernsthafte Umwelt- und Klimaschutzpolitik ausgebremst hat. Cyril Dion weist in seinem Brief darauf hin, dass die nötigen Veränderungen systemischer Art seien, dass sie massiv seien müssen. „Die ökologische Wende gestalten, beinhaltet unsere Gesellschaft aufzurütteln.“ Davon allerdings ist nie die Rede, außer in den Reden natürlich.
In den Reden ist alles möglich. In der Realität hängt Emmanuel Macron am bestehenden ökonomischen und politischem System. Bei ökologischen Fragen erleben wir zwei verschiedene Macrons. Den Mann der Worte, keineswegs der Taten. Der Öko-Freund stellte sich Trump in den Weg, verurteilte die Folgen der deregulierten, globalisierten Wirtschaftswelt auf die Umwelt. Macron auf der anderen Seite agiert als Bewahrer einer liberalen Ordnung. So wurde etwa auch mit der tatkräftigen Unterstützung Frankreichs sowie der Renew-Fraktion im Europaparlament, zu der Macrons LaREM gehört, eine Reform der Europäischen Agrarpolitik verhindert, die den Zielen des Pariser Klimaabkommens gerecht gewesen wäre. Diese beiden gegensätzlichen Typen werden nicht mehr lange miteinander funktionieren. Der Umgang mit den Ergebnissen des Klimakonvents ist ernüchternd. Er vermittelt den Eindruck, dass Klima und Umweltschutz als „Modethemen“ in die politische Kommunikation Macrons Einzug gehalten haben. Doch zum Handeln scheint der Champion of the Earth nicht bereit.